Frauen im Modellsport sind so etwas wie die Elektroautos unter den Modellflugsportlern. Sie sind nur selten zu sehen, erregen dann jedoch meist jede Menge Aufmerksamkeit. Das gilt besonders für die 22-jährige Noreen Juras, denn sie fliegt nicht irgendwelche Modelle, sondern ausgewachsene Jets. Und das nicht nur auf dem heimischen Flugplatz, sondern auch auf Events und Meisterschaften. Doch wie kommt ein junges Mädel auf die Idee, nach Kerosin stinkende, laute Jet-Modelle als Freizeitbeschäftigung zu fliegen? Die Antwort darauf ist denkbar naheliegend: „Zum Modellfliegen bin ich durch meinen Vater gekommen, der selbst schon das Hobby seit über 35 Jahren betreibt und bei den Anfängen der Jetfliegerei mitgemacht hat.“
Doch natürlich ist die in Stadthagen lebende Modellpilotin nicht gleich mit einem teuren Jet abgehoben. „Mit 9 Jahren habe ich das erste Mal meinen Calmato von Kyosho mit einem kleinen O.S.-Methanoler geflogen. Damals habe ich weder eine Lehrer-Schüler-Anlage noch Simulatoren zum Lernen genutzt. Mein Vater hat sich hinter mich gestellt, seine Hände auf meine Hände an die Knüppel des Senders gelegt und konnte so merken, was ich mache. Je nachdem konnte er so nachhelfen, wenn es nicht ganz geklappt hat, oder mir komplett die Verantwortung überlassen, wenn er gemerkt hat, dass es schon ganz gut klappt. Das hat mir sehr geholfen, weil ich so schnell ein Gefühl dafür bekommen habe, wie ein Modell wann reagiert und wie ich wann was zu steuern habe.“ erinnert sich Noreen Juras.
Meilensteine
Zwar beschreibt die sympathische Niedersächsin ihren ersten Alleinflug mit dem Calmato als eines der Highlights ihrer modellfliegerischen Karriere, doch kamen inzwischen noch einige andere markante Ereignisse hinzu: „Zu meinen Höhepunkten zählen mein erster Jetflug, mein erstes Wettbewerbsmodell – eine BAe Hawk von Flyeagle Jets − und die Frage, ob ich für JetCat auf der Jetpower fliegen möchte.“ Letzteres Angebot nahm Noreen Juras gerne an und ging in diesem Jahr bei dem jährlichen Großevent in Bad Neuenahr-Ahrweiler an den Start.
Doch Noreen Juras nimmt nicht nur an Flugtagen teil, sie lässt sich auch regelmäßig auf dem Fluggelände ihres Heimatvereins blicken: „Das Vereinsleben mag ich sehr gerne. Ein bisschen Reden, zwischendurch Fliegen, den anderen zuschauen, Erstflüge beobachten − all das macht ein gutes Vereinsleben aus und gehört meiner Meinung nach auch zum Hobby dazu.“ Am liebsten fliegt sie dabei die Viperjet Mk2 von Skygate. „Die ist schön groß und fliegt sich super angenehm.“
Voller Kalender
Allerdings muss die 22-Jährige derzeit etwas kürzer treten als noch vor einiger Zeit: „Im Moment konzentriere ich mich voll auf mein duales Maschinenbau-Studium bei der Firma WAGO Kontakttechnik in Minden. Davor habe ich auch seit 2010 jedes Jahr an der Semi-Scale-Jet-DM und davor auch bei der DMFV-Jugend-Meisterschaft im F3A-Fliegen der Expert-Klasse teilgenommen. Doch dafür ist die Zeit im Moment einfach zu knapp. Ich versuche zwar nach wie vor jedes Wochenende auf den Platz zu kommen, das gelingt mir aber beispielsweise durch Klausuren leider nicht immer.“
Das Maschinenbau-Studium passt natürlich hervorragend zum ebenfalls sehr technischen Hobby Modellflug. Oder anders gesagt: Der Modellflugsport diente sozusagen als Basis für den erfolgreichen Einstieg ins Berufsleben. „Mein Hobby hilft mir auf jeden Fall auch im Beruf. Durch das Bauen und Fliegen eines Modells hat man schon ein gutes technisches Verständnis für das Studium. Es erleichtert einem, sich viele Zusammenhänge beispielhaft vorstellen und so schneller begreifen zu können. Hinzu kommt die Tatsache, dass ich in meinem Beruf hauptsächlich unter Männern bin, was ich aus dem Modellflug schon seit meinen jungen Jahren kennen. So kann ich mit manchem nett gemeinten Spruch einfach besser umgehen und natürlich auch entsprechend kontern.“
Adrenalin-Kick
Aber was macht für eine Frau die Faszination am Modellflugsport aus? Diese Frage beantwortet Noreen Juras ohne viel nachzudenken: „Mich fasziniert die Tatsache, dass man ohne großen Aufwand der richtigen Fliegerei schon sehr nahe kommt, für die ich mich auch interessiere. Allerdings denke ich, dass man den Modellflug einfach besser und unkomplizierter in seinen Alltag integrieren kann. Abgesehen davon ist Modellflug kein Hobby, das jeder macht. Dadurch bleibt es immer etwas Besonderes. Und last but not least mag ich auch einfach diesen gewissen Nervenkitzel beim Fliegen, den ich nicht mehr missen möchte.“
Man kann es sich zwar bei all der Begeisterung kaum vorstellen, aber Noreen Juras hat auch noch andere Hobbys. So interessiert sie sich auch noch für Autos, Zeichnen und Sport – ein wahres Multitalent sozusagen. Dennoch hat sie mit dem Modellfliegen ihr Steckenpferd gefunden. Das liegt nicht zuletzt auch an den vielen positiven Rückmeldungen, die sie bekommt: „Die meisten sind immer ziemlich erstaunt, wenn ich Ihnen erzähle, dass ich Modellfliege und wollen mir das anfangs nie so recht abkaufen. Doch spätestens wenn ich Fotos oder Videos zeige, sind die meistens schnell überzeugt. Dann schlägt die Skepsis meist schnell in Anerkennung um. Häufig werde ich dabei natürlich gefragt, wie man als Frau in so einer Männer-Domäne zurechtkommt.“
Einfach trauen
Trotzdem oder gerade deswegen ist Noreen Juras jedoch überzeugt davon, dass sich noch viel mehr Frauen für die Modellfliegerei begeistern sollten: „Frauen oder Mädchen sollten sich einfach trauen und mitmachen. Man wird von den Herren der Schöpfung wirklich herzlich empfangen. Und es wäre natürlich schön, sich auch einfach manchmal mit anderen Mädels austauschen zu können.“
Bei all der Euphorie ist es natürlich kein Wunder, dass Noreen Juras auch weiterhin ihrem liebsten Hobby treu bleiben wird: „Später würde ich gerne mal bei der Jet-Weltmeisterschaft mitfliegen und nach meinem Studium auch wieder mehr auf Flugtage fahren. Und ich denke, dass ich definitiv bei der Jet-Fliegerei bleiben werde.“
Jan Schnare