Die Zukunft des Modellflugs im europäischen Rechtsrahmen
11 Fragen an Rechtsanwalt Carl Sonnenschein
Fragt man sich, welchen Weg der Modellflug in den kommenden Jahren einschlagen wird, kommt man an den Regelungen nicht vorbei, die die EU-Kommission für den Betrieb unbemannter Luftfahrzeuge (UAV) verabschiedet hat. Klar, diese Vorschriften sind von ihrem Ursprung her nicht für die Nutzer von Flugmodellen gemacht, dennoch teilt sich der Hobby-Modellflieger künftig sowohl den Luftraum als auch das Regelwerk mit den gewerblichen Drohnenbetreibern.
Allerdings hat der EU-Gesetzgeber für Modellflug im Verbandsrahmen ein kleines, aber entscheidendes Hintertürchen eröffnet, das es ermöglicht, das Hobby wie bisher nach relevanten, nationalen Gesetzen weiter ausüben zu dürfen.
Was dies für Modellflugpiloten bedeutet und welchen Weg der DMFV gewählt hat, um für seine Mitglieder die bestmöglichen Rahmenbedingungen zu schaffen, haben wir Rechtsanwalt Carl Sonnenschein, Verbandsjustiziar des DMFV, gefragt.
Herr Sonnenschein, der Modellflug soll im EU-Recht anders geregelt werden als der Drohnenbetrieb. Wie ist dies möglich?
Carl Sonnenschein: Eigentlich müssen sich auch Modellflieger künftig europaweit an die Regulierungen der EU-Durchführungsverordnung 2019/947 halten. Der Modellflug wird darin in der sogenannten „Offenen Kategorie“ geregelt. Damit sind z. B. keine Flüge höher als 120 Meter mehr möglich. Nachdem in den ersten Entwürfen der EU-Regulierung keine Ausnahmen für den Modellflug vorgesehen waren, haben besonders der Schweizerische Modellflugverband (SMV) und der DMFV dagegen massiv opponiert. Ergebnis dieser Bemühungen sind der Erwägungsgrund 27 und der Artikel 16 der Verordnung, die es den verbandsmäßig organisierten Modellfliegern erlauben, ihrem Hobby wie gewohnt nachgehen zu können.
Und was genau regelt dieser Artikel 16?
Artikel 16 erlaubt es der zuständigen, staatlichen Stelle des jeweiligen EU-Mitgliedslandes, Vereinen oder Verbänden eine Betriebserlaubnis zu erteilen, die es ermöglicht, Modellflug nach von der EU-Verordnung abweichenden Regeln betreiben zu dürfen. Für die Verbände gibt es zwei mögliche Optionen, nach denen sie ihren Antrag stellen können. Entweder nach relevanten, nationalen Vorschriften (Option 2a), oder nach bewährten Verfahren, Organisationsstrukturen und Managementsystemen (Option 2b).
Hat der DMFV schon einen Antrag auf Betriebserlaubnis gestellt und für welche Option hat unser Verband sich entschieden?
Der DMFV hat seinen Antrag bereits im September 2019 ans Bundesverkehrsministerium gestellt, nachdem klar war, dass aus unserer Sicht ein verantwortungsvoller und nachhaltiger Weg nur über die Option 2a), den nationalen Regeln möglich ist.
Wieso das? Option 2b) eröffnet den Verbänden doch offensichtlich ein wesentlich größeres Mitspracherecht.
Das scheint in der Tat auf den ersten Blick so zu sein. Taucht man aber tiefer in die Materie ein, wird schnell deutlich, dass eine Betriebserlaubnis nach Verfahrensweisen von Verbänden nur in den Staaten sinnvoll ist, in denen man keine ausreichende, nationale Gesetzgebung für den Modellflug hat. In Deutschland gibt es mit der LuftVO und den Gemeinsamen Grundsätzen des Bundes und der Länder eine rechtliche Grundlage, die den Modellfliegern in unserem Land eine größtmögliche Freiheit gewährt im Vergleich zu den weitaus strengeren Regeln in anderen Ländern. In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass es dem DMFV mit seinen Mitgliedsvereinen und Mitgliedern möglich war, entscheidend auf die Neufassung der LuftVO 2017 im Sinne der Modellflieger einzuwirken. Es ist weltweit wohl einmalig, dass es keine starre Flughöhenbegrenzung für Flugmodelle gibt. Die Gemeinsamen Grundsätze des Bundes und der Länder wurden maßgeblich durch die Vorstellungen des DMFV geprägt. In der letzten Änderung 2018 konnte in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit den Experten der Landesluftfahrtbehörden alle Änderungswünsche des DMFV umgesetzt werden.
Dieses nach dem jetzigen System etablierte und anerkannte Zusammenspiel von Piloten, Verbänden, Luftfahrt- und Naturschutzbehörden aufzugeben und die komplette Selbstregulierung durch einen Verband zu fordern, käme einem politischen Selbstmord gleich und ist gesellschaftlich weder gewollt noch mehrheitsfähig.
Wie werden die Verbände sicherstellen können, dass ihre Mitglieder sich an die Auflagen der Betriebserlaubnis halten?
Dies ist natürlich viel leichter, wenn es sich um erprobte und allgemein anerkannte Gesetze handelt. Diese sind bei den Modellfliegern in Fleisch und Blut übergegangen und werden allgemein bereits heute befolgt. Auch für die einschlägigen Ordnungsbehörden ergeben sich hieraus keine neuen Herausforderungen.
Ein neues Regelwerk hingegen macht den Verband zu einer Quasi-Behörde, sozusagen einer „Modellflugpolizei“, die in den Reihen ihrer Mitglieder sicherstellen muss, dass dieses Regelwerk gekannt, akzeptiert und auch umgesetzt wird. Konsequenterweise muss dieser Verband Vergehen gegen die eigenen Regeln auch ahnden, z. B. mit Verwarnungen, Entzug der Registrierung oder Verbandsausschluss.
Dieser Weg ist für den DMFV ausgeschlossen. Wir verstehen uns als Interessensvertretung unserer Mitglieder gegenüber Politik und Behörden … nicht als deren verlängerter Arm.
Was bedeutet die neue EU-Verordnung für die Aufstiegserlaubnis auf zugelassenen Vereinsgeländen?
Der DMFV hat von Beginn an gefordert, dass die Zuständigkeit für die Zulassung von Modellfluggeländen bei den Landesluftfahrtbehörden verbleibt. Nur so kann gewährleistet werden, dass etwa ein belastbarer Konsens mit den Naturschutzbehörden gefunden wird. Auch wenn das nicht immer leicht ist und zum Teil vor Gericht entschieden werden muss. Aber genau hierbei hilft der DMFV seinen Vereinen und bietet ihnen kostenlosen, aber effizienten Rechtsbeistand.
Ich kann nur davor warnen, die 5kg-Grenze – wie von verschiedenen Seiten gefordert – auf der „grünen Wiese“ aufzuweichen. Die Konsequenz wäre, dass sich Modellflug von den Vereinsgeländen weg verlagern würde, da ja keine Notwendigkeit einer Aufstiegserlaubnis für die Flugmodell-Mittelklasse mehr bestünde. Ein verheerendes Signal, insbesondere dann, wenn durch eine mögliche Einrichtung von Flugkorridoren für gewerbliche Drohnen die besondere Schutzbedürftigkeit von Modellflugplätzen mit Aufstiegserlaubnis dringend benötigt wird.
Sie sprachen bereits von den Landesluftfahrtämtern. Wie wird denn grundsätzlich die behördliche Zuständigkeit für den Modellflug geregelt sein?
Eine gute Frage. Unseren letzten Informationen zu Folge, die wir aus dem Hause des BMVI („Bundesverkehrsministerium“ – Die Red.) erhalten haben, wird die Fachaufsicht für den Modellflug ab dem 01.01.2021 wohl beim Luftfahrtbundesamt liegen. Die Zuständigkeit für Aufstiegserlaubnisse und Platzzulassungen verbleibt dann bei der Luftfahrtbehörde des jeweils zuständigen Bundeslandes.
Wann ist denn mit der Erteilung der Betriebserlaubnis für die Verbände zu rechnen?
Das ist leider noch sehr schwer zu sagen. Im Grunde hat das Bundesverkehrsministerium hierfür noch Zeit. Für die Umsetzung der EU-Verordnung in nationales Recht hat der Gesetzgeber eine Übergangsfrist von bis zu drei Jahren vorgesehen. In dieser Übergangszeit wird weiter nach den bisher geltenden, nationalen Gesetzen geflogen.
Der DMFV drängt jedoch auf eine baldige Erteilung seiner Betriebserlaubnis, um seinen Mitgliedern eine größtmögliche Planungssicherheit zu gewährleisten. Gegebenenfalls werden wir unseren Antrag im Januar 2021 beim Luftfahrtbundesamt erneut vorlegen, sollte das LBA dann die zuständige Stelle sein und das BMVI hierüber noch nicht abschließend befunden haben.
Gilt diese Betriebserlaubnis dann für alle Modellflieger in Deutschland?
Nein. Die Betriebserlaubnis gilt nur für die Mitglieder des Verbandes, für den die Erlaubnis erteilt wurde. In Deutschland werden das nur die Verbände DAeC und DMFV sein. Das hat das BMVI bereits in gemeinsamen Gesprächen in Bonn sehr deutlich gemacht. Modellflieger, die nicht über einen der beiden Verbände organisiert sind, können dann im erschwerten Rahmen der „Offenen Kategorie“ fliegen.
Wie sieht es aus, wenn deutsche Piloten ihr Flugmodell im europäischen Ausland betreiben wollen?
Grundsätzlich kann das jeder im Rahmen der „Offenen Kategorie“ tun. Die europaweite Vereinheitlichung der Regeln liegt ja im ureigensten Interesse von EASA und EU-Kommission. Um allerdings in den Genuss der Betriebserlaubnis von Verbänden anderer Länder kommen zu können, bedarf es des gegenseitigen Anerkennens der jeweiligen Regelungen. Der DMFV ist hierzu bereits in engem Kontakt zu den Kollegen aus Österreich und der Schweiz. Weitere Gesprächspartner werden folgen. Man muss aber auch feststellen, dass die meisten Länder in der Umsetzung der EU-Regeln noch gar nicht so weit sind wie wir in Deutschland.
Ab dem 1. Juli 2020 soll die Registrierungspflicht für Betreiber unbemannter Luftfahrzeuge in Kraft treten. Wie muss man sich das in der Praxis vorstellen?
Tatsächlich hat die EU den Start der Registrierungspflicht wegen der anhaltenden Corona-Pandemie um ein halbes Jahr auf den 1. Januar 2021 verschoben. Dann wird es aber ernst. Jeder Drohnen-, aber auch jeder Modellflugpilot muss sich in einer nationalen Datenbank des LBA mit Namen, Geburtsdatum, Adresse, Emailadresse, Versicherungs- und Telefonnummer registrieren. Die gesammelten Daten werden dann in ein europäisches Register überführt. Derzeit gibt es weder die nationale noch die europäische Datenbank.
Wenn das soweit ist, sollen die Verbände DMFV und DAeC die Möglichkeit erhalten, ihre Mitglieder en bloc zu registrieren, sofern denn alle notwendigen Daten in der Verbandsverwaltung vorliegen.
Herr Sonnenschein, wir danken Ihnen für dieses Interview und das klare Bekenntnis, dass Modellflug auch im europäischen Rechtsrahmen in Zukunft wie bisher möglich sein wird.