Interview mit DMFV-Präsident Hans Schwägerl zu Corona-Krise
Die Corona-Pandemie hat auch Einfluss auf den Modellflugsport in Deutschland. DMFV-Präsident Hans Schwägerl gibt in einem Interview einen Überblick über die Lage für die Modellflieger und über die Aktivitäten des Verbandes.
In der Corona-Pandemie herrscht bei den Modellfliegern große Unsicherheit, was man als Modellflieger eigentlich noch darf und was nicht. Kann der DMFV hier für Aufklärung sorgen?
DMFV-Präsident Hans Schwägerl: Das ist von Bundesland zu Bundesland verschieden. Und dann wird das teilweise noch von den örtlich zuständigen Behörden unterschiedlich ausgelegt. In einigen Bundesländern wie Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern können auch Modellflugplätze wieder mit Einschränkungen genutzt werden, in allen anderen Ländern wird das in Kürze auch wieder gehen. Wir haben dazu auf unserer Website eine Übersicht erstellt. Grundsätzlich gehen wir aber von Folgendem aus: das Fliegen abseits von Modellfluggeländen ist im Rahmen der üblichen gesetzlichen Vorschriften und unter Einhaltung der jeweiligen Allgemeinverfügungen aus unserer Sicht grundsätzlich möglich.
Auch in Bayern? Denn um ein generelles Modellflugverbot in Bayern hatte es in den letzten Wochen einige Verwirrungen gegeben.
Inzwischen ist das auch in Bayern wieder möglich. Wir erhielten aufgrund zahlreicher Nachfragen, die beim Luftamt Südbayern von Vereinen und einzelnen Modellfliegern eingingen, von eben jenem Amt zunächst die mündliche und später auch die schriftliche Information, wonach der Modellflugbetrieb nicht als „triftiger Grund“ zum Verlassen der Wohnung gesehen werden könne. Hier war wohl die Zero-tolerance-Politik der bayerischen Regierung maßgeblich. Die widersprüchlichen Aussagen in den letzten Tagen und die nun teils bereits erfolgten oder angekündigten Lockerungen hatten uns dazu bewogen, noch einmal persönlich mit den zuständigen Ämtern Kontakt aufzunehmen. Die Luftfahrtbehörde rückte dann von der bisherigen Ansicht ab, Modellflugsport außerhalb von Vereinsgeländen zu verbieten und verwiesen auf die Zuständigkeit der Kreisordnungsämter in Abstimmung mit dem Innenministerium. Vom Innenminister Joachim Herrmann gab es dann am Ende grünes Licht.
Dem DMFV wird in diesem Zusammenhang vorgeworfen, man hätte überhaupt nicht auf das Luftamt hören dürfen. Schließlich war diese Behörde gar nicht zuständig, wie sie ja später selbst einräumte.
Natürlich schmerzt so ein Flugverbot und es tat mir auch für alle bayerischen Modellpiloten unendlich leid. Und mit dem heutigen Wissen hätte man das vielleicht auch anders managen können. Aber sowohl für uns als auch für die Behörden hat es so eine Situation noch nie gegeben. Und ich weiß nicht, ob es wirklich ein Fehler ist, wenn man der Aufforderung einer Behörde folgt, mit der man seit Jahren sehr gut und vertrauensvoll zusammenarbeitet. Ein Fehler wäre es aber sicher gewesen, an der Behörde vorbei an die Kreisordnungsämter heranzutreten. Das wäre einem Misstrauensvotum gleichgekommen. Und dass die Modellflieger in Bayern früher hätten wieder fliegen können, wäre damit im Übrigen auch nicht sicher gewesen. Denn es gab, wie wir inzwischen wissen, durchaus Kreisordnungsämter, die die gleiche Auffassung vertraten wie das Luftamt Südbayern. Wir hätten das Verhältnis zum Luftamt aber wahrscheinlich nachhaltig beschädigt. Zudem hätten wir als diejenigen dagestanden, die nicht einmal in einer solchen Krise für ein paar Tage die Füße stillhalten können und stattdessen auf eine Extrawurst pochen. Langfristig hätte ein solches Vorgehen ganz sicher mehr Schaden angerichtet.
Kürzlich hat der DMFV einen offenen Brief an die Gesundheitsämter von Bund und Ländern mit der Bitte um Öffnung der Modellflugplätze verschickt. Warum hat man das nicht früher gemacht? Modellflug ist doch auch auf den Modellflugplätzen nie ein Risiko in Sachen Ansteckung gewesen.
Dazu muss man sich ja nur einmal überlegen, warum der Staat so weitreichende Maßnahmen getroffen hat. Vereinfacht gesagt: Weil es nur so auch beim Letzten ankommt, dass die Sache ernst ist und dass wirklich jeder seine persönlichen Bedürfnisse hintenanstellen muss. Individuelle Forderungen wären da doch völlig fehl am Platz gewesen. Nun, nach einigen Wochen das Lockdowns und mit den ersten Lockerungsmaßnahmen muss man dann aber wieder genauer hinsehen, welche Maßnahmen sinnvoll sind und welche nicht. Und offen gesagt war mir und auch anderen im Verband nicht ganz wohl bei der Sache. Aus gesamtgesellschaftlicher Verantwortung muss man sehr genau abwägen, wann der richtige Zeitpunkt ist, seine individuellen Bedürfnisse durchdrücken zu wollen. Da andere Sportverbände – und auch der DOSB – eine ähnliche Linie gefahren sind, hielten wir den Zeitpunkt nun für richtig. Viel wichtiger war mir aber das Stimmungsbild in der Mitgliedschaft. Die Mehrzahl schien ein aktives Vorgehen des Verbandes mit klaren Forderungen zu begrüßen. Dem fühle ich mich natürlich verpflichtet.
Für die Schließung von Sport- und Freizeitstätten sind die Gesundheitsämter aber eigentlich gar nicht zuständig, warum hat man dennoch diese als Adressat ausgewählt?
Es ist ja kein juristischer Schritt, sondern ein Ersuch, eine Bitte. Nach unserer Einschätzung geben die Gesundheitsämter derzeit ganz klar den Takt vor und daher war es uns wichtig, dort ein Problembewusstsein zu hinterlegen. Kein Ordnungsamt wird derzeit etwas tun, was nicht fachlich vom Gesundheitsamt abgesegnet ist.
Manche Vereine pochen darauf, dass ihr Platz gar keine Sportstätte ist und es daher gar keine rechtliche Grundlage für eine Sperrung gibt.
Es ist in der Tat so, dass das nicht überall klar geregelt und definiert ist. Aber noch einmal: im Zuge einer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung, die ein Verband unserer Größenordnung hat, gebietet es der Anstand und auch die Logik, dass wenn Sport-, Spiel und Freizeitstätten geschlossen werden müssen dazu dann auch Modellflugplätze zählen. Juristische Spitzfindigkeiten halte ich in diesem Zusammenhang für unangebracht. Wir können doch nicht auf der einen Seite um die Anerkennung als Sport werben und dann in einer solchen Ausnahmesituation davon abweichen, nur um daraus einen Vorteil erhaschen zu wollen. Dann nimmt uns doch niemand mehr als seriösen Ansprechpartner ernst.
Kann man eine Prognose wagen, wann die Modellflugplätze wieder genutzt werden können?
In den ersten beiden Bundesländern ist das bereits wieder möglich. Und die Signale aus der Politik sind ja inzwischen auch recht eindeutig. Ich gehe davon aus, dass Flugbetrieb auf Modellflugplätzen in den meisten Bundesländern Anfang Mai mit Einschränkungen möglich sein wird. Mitte Mai dann wohl auch bundesweit. Dafür werden wir uns auf jeden Fall weiter einsetzen. Ein normales Vereinsleben wird aber auf absehbare Zeit kaum möglich sein. Und natürlich schwingt immer die Gefahr eines erneuten Lockdowns mit, wenn die Infektionszahlen wieder nach oben schießen. Damit das nicht passiert, appelliere ich eindringlich an die Vernunft unserer Mitglieder.
Kein normales Vereinsleben, das heißt dann auch, keine Flugtage, keine Wettbewerbe und Ähnliches?
Wir hatten sehr früh und vorausschauend alle DMFV-Veranstaltungen zunächst bis Ende Mai abgesagt. Inzwischen haben wir uns entschieden, im Jahr 2020 komplett alle Sportveranstaltungen zu canceln. Das ist sicher ein drastischer Schritt, doch wir haben gegenüber den Vereinen und den Piloten die Pflicht, rechtzeitig für Planungssicherheit zu sorgen. Wir müssen einfach realistisch sein: Ein fairer Wettkampf wäre dieses Jahr nicht mehr möglich. Schon deshalb nicht, weil es auch künftig unterschiedliche Voraussetzungen in den einzelnen Bundesländern geben könnte. Wer an einem Wettbewerb teilnimmt, der bereitet sich aber in der Regel Monate darauf vor. Die Möglichkeit für alle, in gleichem Maße regelmäßig zu fliegen, ist da die Grundvoraussetzung für sportlich faire Wettbewerbe.
Der 7. Juni steht als Tag des Modellflugs bei vielen Vereinen und Modellflugbegeisterten dick im Kalender. Wird an dem Tag der Modellflug wie geplant gefeiert?
Ja klar, aber natürlich anders als geplant. Wir können auch ohne Flugtage zeigen, wie facettenreich das Hobby ist. Modellflug ist ja nicht nur ein Sport in geselliger Runde, er macht auch ganz alleine Spaß. Perfekt zum Abschalten vom Alltag. Auch das kann man zeigen. Und beim Modellflug geht es ja nicht immer nur ums Fliegen, sondern auch ums Bauen, Konstruieren, einfach darum, kreativ zu sein. Auch das kann man wunderbar zeigen. Unsere digitalen Kanäle, von unserer Website bis hin zu Social Media, bieten dafür etliche Möglichkeiten. Der Tag des Modellflugs 2020 wird anders sein, aber er ist eine tolle Gelegenheit, bei der wir Modellflieger wieder etwas näher zusammenrücken können – natürlich rein virtuell. Und da sollten wie im vergangenen Jahr wieder ganz viele Modellflieger mitmachen. Darauf freue ich mich.