An ihre erste Begegnung mit einem Modellflugzeug kann sich Sarah Lutzenberger noch genau erinnern. Doch dazu muss sie etwas ausholen: „Wenige Wochen vor meinem Erstkontakt mit der Welt der Fliegerei hatte ich eine Autopanne. In meiner Not rief ich kurzerhand den Pannendienst. Der nette Herr vom Autohaus brachte mein Fahrzeug innerhalb von Minuten wieder zum Laufen, rettete mir den Tag und dabei bei mir irgendwie einen bleibenden Eindruck hinterlassen.“ Dank Facebook und Co. schaffte es Sarah Lutzenberger schließlich in kurzer Zeit herauszufinden, dass sich der Herr, der ihr so die Augen verdreht hatte, ein Wochenende später am Modellflugplatz in Bad Wörishofen herumtreiben würde. „Er war dort eingeteilt als Flugpunktrichter, bei der Semi-Scale-DM des DMFV.“ Zwar wusste Sarah Lutzenberger zu diesem Zeitpunkt weder was Semi-Scale bedeutet, noch was sie auf einem Modellflugplatz erwarten würde, aber sie wusste, dass sie Ihren Retter wiedersehen wollte.
Auf gut Glück
„Ich machte mich einfach auch Richtung Modellflugplatz. Leider war der jedoch nicht im Navi eingezeichnet und natürlich verirrte ich mich auf dem Weg. Als ich schon völlig genervt zwischen all den Maisfeldern aufgeben wollte, um wieder nach Hause zu fahren, sah ich im Augenwinkel plötzlich einen riesigen schwarzen Flieger am Himmel auftauchen.“ Aufgrund der enormen Größe des Modells dachte Sarah Lutzenberger zunächst, sie sei an einem manntragenden Flugplatz. Schließlich waren die Flugzeuge im Spielzeugladen immer viel kleiner. Trotzdem wendete sie kurzerhand ihr Auto und folgte dem riesigen Vogel zu seinem Landeplatz.
„Ich parkte mein Auto und lief mit offenem Mund Richtung Sicherheitszaun. Einige Sekunden später setze die schwarze Maschine wenige Meter von mir entfernt butterweich auf der Asphaltbahn des MFC Bad Wörishofen. Mit einer Mischung aus Begeisterung und Erstaunen lief ich anschließend den Flugplatz hinauf und kam aus dem Staunen über die kleinen Wunderwerke nicht mehr heraus. Natürlich traf ich kurze Zeit später auch den Mann, weswegen ich überhaupt hier war.“ Heute sind Sarah Lutzenberger und Ihr Retter von damals glücklich verheiratet.
„Dieser unverhoffte Besuch zeigte mir eine völlig neue Welt, von der ich bis dato als Frau noch nichts gehört oder gesehen hatte. Viele Jahre später erfuhr ich dass der ,schwarze Riese‘, der mit damals den Weg zeigte, eine BAE Hawk von Thomas Höchsmann war. 2016, ganze sieben Jahre später, konnte ich ihm dann auch endlich mal persönlich während der Segelflugmesse in Schwabmünchen die Hand schütteln und mich bei ihm bedanken.“ Nachdem Sarah Lutzenberger dann einige Jahre als Gast und Zuschauerin auf Flugplätzen und Flugtagen als Begleiterin ihres Herzblatts Hannes Lutzenberger verbracht hatte, wollte sie dann auch mal versuchen, ein Modellflugzeug zu steuern.
Blut geleckt
„Die Faszination Fliegen hatte mich nun endgültig gepackt. Ich wollte wissen wie schwer es ist, eine Rolle oder einen Looping zu fliegen. Zum Glück habe ich in meinem Mann einen sehr geduldigen Lehrer, und dank ihm von Anfang an Spaß und Erfolg bei meinen ersten Versuchen gehabt. Und so bin ich nun seit über zwei Jahren aktives Mitglied im MFC Bad Wörishofen und kann mir ein Leben ohne Modellflug nicht mehr vorstellen.“
Die ersten eigenen Flugversuche unternahm Sarah Lutzenberger im Alter von 30 Jahren. Sie flog mit einer Apprentice von Horizon Hobby, die vor allem für Neulinge ein idealer Trainer ist. Begonnen wurde mit einer kurzen Theoriestunde. Anschließend ging es direkt in die Luft. Durch einen Dreiachs-Kreisel gestützt, versuchte sie, ihre ersten Kreise zu fliegen. „Nachdem ich zwei Akkus komplett leer geflogen hatte und somit die ersten vorsichtigen und wackeligen Runden hinter mir hatte, stand fest: Das will ich machen − das macht super viel Spaß. Und von dem Moment an war ich dann fast jeden Tag auf dem Flugplatz.“
Abwechslung
Inzwischen muss es nicht mehr immer ein Modellflugplatz sein zum Fliegen. Oft kann man Sarah Lutzenberger auch mit ihrer auf Schwimmer umgebaueten Carbon Cub an schönen Seen entedecken. „Dort bei Sonnenuntergang im Wasser zu stehen und meine Cub an mit vorbei fliegen zu sehen, ist einfach nur schön und eine tolle Abwechslung vom Alltag.“ Geflogen wird eigentlich immer wenn es die Freizeit hergibt, vor allem nach der Arbeit und am Wochenende. Dabei haben für Sarah Lutzenberger sowohl das Vereinsleben als auch das Fliegen alleine Vorteile. „Einerseits liebe ich es, gemeinsam mit anderen Mitgliedern zu fliegen und am Vereinsleben teilzunehmen. Andererseits bin aber auch gerne konzentriert auf mich und mein Modell alleine draußen auf dem Flugfeld. Wenn ich zum Beispiel neue Flugfiguren üben möchte, dann bin ich gerne alleine, weil ich mich dann besser konzentrieren kann.“
Fragt man Sarah Lutzenberger nach ihrem persönlichen Highlight, braucht sie nicht lange zu überlegen. „Mein persönliches Highlight bis jetzt war eine Flugstunde mit dem Weltmeister und Top-Pilot Gernot Bruckmann. Kennengelernt haben wir uns während des Joe Nall-Flugtags in den USA und es entwickelte sich eine enge Freundschaft. Wenige Monate nach dieser Veranstaltung in Amerika besuchten wir Gernot und seine Familie an seinem Heimatflugplatz in Österreich. Mit einem etwas mulmigen Gefühl im Magen, drehte ich Abends einige Runden mit meiner kleinen Piper, nachdem alle Profis in der Luft waren. Am Folgetag sprach mich Gernot dann ganz unverhofft an, ob ich nicht mal Lust hätte eine ,gscheite‘ Piper zu fliegen.“ Und das was Gernot Bruckmann als gescheit bezeichnet, wirkte auf Sarah Lutzenberger fast wie eine manntragende Maschine: Eine große 50 Prozent Bill Hempel Piper Cub mit Vierzylinder Valach-Motor.
Neue Erfahrung
Ohne nachzudenken nahm Sarah Lutzenberger das Angebot an. „Das Herz schlug mir bis zum Hals, die Gedanken rasten mir durch den Kopf. Gernot hingegen war ganz locker. Auf zirka 100 Meter Höhe schaltete er das Lehrer-Schüler-System um und übergab mir damit die Kontrolle. Mit weichen Knien drehte ich ein paar vorsichtige Runden. Gernot sagte plötzlich: ,Nicht zu zaghaft junge Dame, mach mal einen Looping und eine Rolle und dann landest du.‘ Wie in Trance flog ich die Figuren mit dem riesen Vogel genau wie mit meiner kleinen Piper und es klappte überraschend gut.“ Beim Landeanflug übernahm Gernot Bruckmann dann doch wieder vorerst die Steuerung. „Eine Stunde später durfte ich dann einen kompletten Alleinflug machen. Ich werde das Gefühl nie vergessen, wie es war dieses riesige Flugmodell losrollen zu sehen, in dem Wissen, dass ich es steuere.“
Natürlich darf bei einer so enthusiastischen jungen Dame auch nicht die Frage nach einem Lieblingsmodell fehlen. „Mein Lieblingsmodell fliege ich zwar nicht selbst aber es ist dennoch ein Modell in dem auch all mein Herzblut steckt. Es handelt es sich um die P-51 Mustang Precious Metal, die mein Mann zusammen mit Markus Rummer erbaut hat. Mit diesem Flugzeug verbinde ich immer die Geschichte der originalen Rennmaschine, die ich in Reno beim Air Races live sehen konnte. Ich habe die Entstehung des Modells hautnah mitbekommen. Ich habe miterlebt, wie die Idee zu einem Plan wurde, einen Reno Racer nachzubauen. Ich habe erlebt, wie viele Stunden und schlaflose Nächte notwendig waren, um dieses Projekt umzusetzen. Ich werde das Gefühl nie vergessen als das Modell zum ersten Mal flog und das unvergleichliche Geräusch der gegenläufigen Propeller ertönte.“
Die Begeisterung für den Modellflugsport zeigt sich auch daran, wie oft Sarah Lutzenberger ihrem Hobby frönt. „Im Sommer fahre ich von der Arbeit nach Hause, ziehe mich schnell um, packe alles zusammen und es geht direkt zum Flugplatz. Im Winter habe ich immer die Schwimmer am Modell montiert und nutze die geschlossene Schneedecke aus, um ein paar Flüge zu machen.“
Faszination Modellflug
Trotz ihrer vergleichsweise kurzen aktiven Modellflug-Karriere hat Sarah Lutzenberger schon längst erkannt, was das besondere an diesem Hobby ist. „Konzentration, Koordination, räumliches Denken, Geduld und technisches Verständnis sind nur eine Handvoll an Fähigkeiten, die man als Modellflieger automatisch und spielerisch verbessert. Ich habe schon sehr viel durch dieses Hobby dazugelernt und bin sehr dankbar dafür. Auch die Bereitschaft der Piloten, sich gegenseitig zu helfen und zu unterstützen, ist in meinen Augen eine ganz tolle Eigenschaft.“
Allgemein sind es die die Menschen und das Zusammengehörigkeitsgefühl, das Sarah Lutzenberger so fasziniert. „Noch nirgends bin ich auf so nette, patente und hilfsbereite Menschen gestoßen wie in der Modellflugszene. Man unterstützt sich gegenseitig und lernt voneinander. Ich bin ein Fan der Menschen, die dieses Hobby am Leben halten und es zu dem machen was es ist.“
Da Sarah Lutzenberger nicht unbedingt einer der typischsten Vertreter der Modellflugsportler ist, reagieren viele Menschen meister überrascht, wenn sie von ihrem Hobby hören. Doch schnell kommt die Neugier durch: „Wo machst Du das? Wie machst Du das? Was fliegst Du? Wie groß ist Dein Flugzeug? Die meisten Leute sind von der Größe, die ein Modellflugzeug haben kann, erstaunt. Denn die Mehrheit hat dann doch das Vorurteil, wir würden nur mit kleinen Spielzeugflugzeugen umherfliegen. Aber grundsätzlich bekomme ich durchwegs nur positive Reaktionen auf mein Hobby.“
Alle Türen offen
Zwar ist Sarah Lutzenberger bewusst, dass sie als Frau zu einer sehr kleinen Gruppe der Modellflieger gehört, jedoch sieht sie keinen Grund, weswegen sich das nicht ändern sollte. „Ich glaube dass der Grund, warum es nur wenige Frauen im Modellflug gibt ist, dass viele mit diesem Thema nie in Berührung kommen − so wie ich früher. Keiner meiner Verwandten oder Freunde hat je Modellflug betrieben oder mit der Fliegerei allgemein etwas zu tun gehabt. Erst durch meinen Mann hat sich mir diese tolle neue Welt eröffnet und ich möchte sie nicht missen.“
Dabei macht ihr Interesse auch vor der manntragenden Fliegerei nicht Halt. So war sie bereits drei mal in Reno bei den Air-Races, wo sich auch eine gute Freundschaft zum Team von PreciousMetal entwickelt hat. „Wer schon einmal in Reno gewesen ist, wird den Sound der Unlimited Racer nicht wieder vergessen können.“ Aber auch hier sind es nicht nur die Flugzeuge selbst, sondern auch die Menschen, die das Event für Sarah Lutzenberger zu etwas Besonderem machen. „Dank der Möglichkeit im Jahr 2015 Teil der Pit-Crew zu sein und auch mit den anderen Piloten und Teams in den Boxen in Kontakt zu kommen, haben wir die Races auch hinter den Kulissen miterlebt. Was die Teams während dem Rennen leisten und beschäftigt, wie stark der Zusammenhalt untereinander ist, und auch dass wir in ihren Kreis aufgenommen wurden, als wären wir schon immer ein Teil davon gewesen – dieses Gefühl ist einfach unbeschreiblich.“
Selbst abgehoben
Apropos unbeschreibliches Gefühl: Das kennt Sarah Lutzenberger auch von ihren Mitflügen in manntragenden Flugzeugen. „Zuletzt durfte ich zum ersten Mal einen Kunstflug miterleben. Das war wirklich klasse. Gemeinsam mit dem Uwe Schreyer und seiner wunderschönen roten Pitts S2B habe ich am eigenen Körper erfahren, welche Belastungen während eines Loopings, einer Rolle oder eines Turns auf einen einwirken. Das werde ich nie vergessen und bin Uwe sehr dankbar für dieses unvergessliche Erlebnis.“
Diese Erfahrung war auch in sofern interessant, als das Sarah Lutzenberger in Zukunft verstärkt auf den Kunstflug setzen will. „Ein klares Ziel von mir ist ein Programm mit klassischen Kunstflug mit meiner neuen Extra 330SC in den Himmel zaubern zu können. Ich will keine wilden Kapriolen in Bodennähe machen, sondern sauber Fliegen. Parallel zur Bahn, ein gleicher Höhe und konstanter Geschwindigkeit. Das wird mich zwar noch einiges an Übung kosten, da mich die Größe und Wendigkeit des neuen Modells sehr fordert, aber genau das macht es ja so spannend. Man darf nur nicht aufgeben, dann kann man alles schaffen. Eines meiner liebsten Sprichwörter ist daher: ,If you can dream it, you can do it‘, was auf Deutsch bedeutet, das man alles schaffen kann, von dem man träumt.“
Jan Schnare